Sex and the City

Zu dünn, zu weiß, zu heterosexuell

Wut und Wehmut: Die Befindlichkeiten zum 20. Geburtstag von Sex and the City sagen viel darüber aus, wie sich die Welt verändert hat, seit Carrie, Samantha, Miranda und Charlotte die Lieblingsclique aller Girls zwischen zwanzig und vierzig waren.

Die Serie Sex and the City handelte von vier Freundinnen, die sich feuchtfröhlich durch Manhattans willige Männerwelt bumsten, währenddessen allerhand Erstaunliches erlebten und dabei stets todschick aussahen. Sie trugen immer High Heels und stöckelten damit durch ein New York City, das noch eine aufregende Stadt voller Gegensätze war und keine von privaten Sicherheitskräften bewachte Shopping Mall für Superreiche. Die Serie startete kurz vor Ende des Millenniums, als ahnten man schon, dass es auf der anderen Seite nur schlechter werden könnte. Es war eine Zeit, in der vieles einfacher erschien als heute: das World Trade Center stand noch, Aids hatte seinen Schrecken verloren, Salt-N-Pepa sangen Let’s Talk about Sex, Baby und als starke selbstbestimmte Frau fühlte sich, wer immer ein Kondom in der Fake-Fendi-Clutch dabeihatte.

Dieser Tage wird viel über SATC geschrieben, weil seit der Ausstrahlung der ersten Folge auf dem Sender HBO zwanzig Jahre vergangen sind. Je nach Medienausrichtung fallen diese Jubiläumstexte mal schwärmerisch, mal verheerend aus. Modemagazine loben vor allem die Outfits der vier Frauen, die phantastisch waren und für die Charakterisierung der Figuren weitaus wichtiger, als ihr andauerndes Geschnatter.

Der wahre Star der Serie war weder die Schauspielerin Sarah Jessica Parker noch deren Kollegin und Off-Set-Rivalin Kim Cattrall, noch die Autorin Candace Bushnell, auf deren autobiografischen Kolumnen in The New York Observer die Serie beruhte. Der wirkliche Grund, warum Millionen von Frauen die Abenteuer der Freundinnen Woche für Woche gebannt verfolgten, war Patricia Fields, gebürtige New Yorkerin, Designerin und Stylistin, Boutiquenbesitzerin und verrückte Schachtel, die jeder der vier Frauenfiguren einen unverwechselbaren Look auf den Leib kuratierte. Fields war die erste, die für ein Prime-Time-Format sündhaft teure Designerfummel mit schrägen Flohmarktfunden kombinierte und damit einen urbanen Stil prägte, der die nächsten fünfzehn Jahre als Boho-Chic von bis zum Erbrechen durchexerziert werden sollte.

Als wichtigste Stilikone gilt bis heute die Protagonistin Carrie, eine Art Bridget-Jones-Figur ohne Gewichtsprobleme, die liebeshungrig und verpeilt von einem Dating-Desaster ins nächste stolperte. Dabei kombinierte sie Jogginghosen zum Pelzmantel, Nietengürtel zum Cocktailkleid oder tauchte zu einem Picknick im Central Park mit Heidi-Zöpfen und 70er-Jahre-Dirndl auf. Dann gab es noch die elegante Aufreißerin Samantha, eine kinderlose Milf, für die später der Fachbegriff Cougar eingeführt wurde. Sie machte Schößchenkleider und Colour Blocking populär. Etwas weniger offensiv-sexy kleidete sich die kurz- und rothaarige Miranda, sie trug Herrenanzüge plus Krawatte oder schlurfte an Liebeskummertagen in einer Oversize-Latzhose herum. Ihrem Stil konnte der Zahn der Zeit am wenigsten anhaben: rückblickend mauserte sie von hässlichen Entlein der Serie zum Postergirl aller Menocore-Anhängerinnen. Für die ganz Braven gab es schließlich noch das good girl Chalotte in zeitlosen Twinsets, weitschwingenden Röckchen und Schleife im Haar.

SATC war aber mehr als eine Kleiderparade. Die Serie hatte auch eine Handlung und an dieser scheiden sich die Geister

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. Eine ganze Reihe von Autorinnen widmete sich der Frage,

ob man SATC als Feministin gut finden darf. Befürworterinnen betonen, dass hier zum ersten Mal Frauen über dreißig gezeigt wurden, von denen immerhin eine (Samantha) sich weder Kinder noch Ehemann wünschte, und die beim Cosmopolitan-schlürfen zwischendurch auch mal über was Anderes als Kerle parlierten.

Andere verurteilen SATC als Urhort des Bösen, als üble Brutstätte des neoliberalen Lipstick Feminism, der Frauen zu willigen Sklavinnen eines kapitalistischen-sexistischen Schweinesystems erzog. In der New York Times berichtete eine Autorin in einem schweren Anfall von Mimimi, SATC habe ihr Leben ruiniert. Die Serie habe ihr eingeflüstert, es sei glamourös, sich sexy anzuziehen, Alkohol zu trinken und herumzuvögeln. Außerdem habe sie, inspiriert vom Beruf der Protagonistin Carrie, eine schlechtbezahlte Stelle als Kolumnistin angenommen. SATC sei deshalb schuld daran, dass sie, mittlerweile über 40, immer noch unverheiratet sei und immer noch kein Eigentums-Loft mit Dachterrasse plus Ferrari besäße. Sie sei nun dazu gezwungen, zölibatär auf Bali zu weilen und ihren Lebensabend mit nichts als Yoga erträglicher zu gestalten.

Dier Welt ist in den letzten 20 Jahren komplizierter geworden. Wir sind um die Erfahrung reicher, dass Hedonismus uns nicht retten wird. Wir sind prüde geworden und vergnügungsmüde. Wir wollen raus aus den Städten, die wir uns nicht mehr leisten können. Sex taucht in den Medien nur noch in der unfreiwilligen Variante auf. Wir sind misstrauisch geworden und wittern überall Unterdrückung und Verrat. Für heutige Sehanforderungen sind Carrie & Co. einfach zu dünn, zu weiß, zu heterosexuell.

Ähnlichkeiten mit dem echten Leben hatte die Serie jedoch in dem Punkt, dass die Geschichte der vier Freundinnen irgendwann auserzählt war. Jede ging ihrer Wege und hatte einfach keine Zeit oder auch keine Lust mehr auf die ewigen Champagner-Frühstücke und Nachtclub-Exzesse.  Carrie bekam ihrem Mr. Big. Charlotte und Miranda bekamen Kinder.  Samantha bekam Brustkrebs.

Damit hätte es aufhören sollen, stattdessen kamen noch zwei unsägliche Filme, von denen einer buchstäblich schlimmer war als der andere. Während der erste in weiten Teilen ein Werbefilm der Immobilienbranche zu sein schien, aber mit Carries Vivienne-Westwood-Brautkleid samt auf den Kopf montierten Vogel zumindest noch einen modischen Höhepunkt bot, war der zweite einfach nur dumm, rassistisch und vor allem todlangweilig.

Vielleicht sind zwanzig Jahre zu kurz, um die popkulturelle Bedeutung von SATC angemessen beurteilen zu können. Die Motive sind uns noch zu nahe, und die Abwehrreflexe dagegen sagen viel über die Schwierigkeiten, sich als weibliches Wesen ästhetisch und sexuell in der Gegenwart zu verorten. Alle, die weiterhin der Meinung sind, dass Frauen auch jenseits des gebärfähigen Alters ruhig saufen und sich teure Schuhe kaufen sollten, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen, sind in der Zwischenzeit mit Absolutely Fabulous besser beraten.

Spex Online, 21. Juni 2018